Flucht über Krásná nach Neuhausen - Neuhausen bei Rehau

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Grenz-Ansichten aus unserem kleinen Dorf

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Flucht über Krásná nach Neuhausen

Besonderes
Oder vom kommunistischen Osten in den freien Westen
Die Flucht vom Samstag den 23. August 1986

Nach der Autofahrt vom sächsischen Wildenfels, bei Zwickau, nach Asch in der Tschechoslowakei begann um 8:00 Uhr mein Fußmarsch im Norden von Asch über Krásná nach Neuhausen in Bayern. Der Abschied vom Trabbi viel mir nicht schwer. Bis zur Grenzanlage/Stacheldrahtzaun benötigte ich für die ca. 5,5 km 4 Stunden, also bis 12:00 Uhr. Auf der Straße von Krásná nach Stítary, im Norden von Krásná, konnte ich erstmals aus großer Entfernung eine breite Schneise durch den Wald erkennen und ging davon aus das dies die Grenze zwischen Ost und West ist. Das hinter dieser Neuhausen liegt wusste ich natürlich nicht, da alle Landkarten in der DDR genau hier endeten. In diesem Hinterland bemerkte ich bereits den einen oder anderen Wachturm, besetzt von tschechoslowakischen Soldaten. Äußerste Vorsicht war geboten. Ab Štítary war ich nur noch im Entengang oder im liegen robbend unterwegs. Alles andere als lustig an einem verregneten Tag, aber genau dieser Regen sollte mir am Ende vielleicht noch das Leben retten.
Der beschwerliche Fluchtweg
Meine Flucht aus der DDR
Quelle: (Nr.:2006 - Foto:Jörg Schubert - Datum:28.12.2012)
Als ich denn dann tatsächlich ca. 20 Meter vor den Respekt einflößenden Sperranlagen lag, war nichts mehr wie es je vorher war. In Augenhöhe Kontaktdrähte im Gras, ein ca. 4 Meter breiter geharkter Sandstreifen vor dem fast 3 Meter hohen Stacheldrahtzaun, Rundumleuchten, Lautsprecher und zu meiner linken in ungefähr 100 Meter Entfernung einen Wachturm, mit einem mit Maschinenpistole bewaffneten Soldaten. Mein gesamtes Leben vom Kindergarten bis zu diesem Tage lief bildlich an mir vorüber. Den Gedanken an eine Verletzung und Festnahme durch die Grenzsoldaten lies ich überhaupt nicht zu. Mir war in dem Augenblick klar geworden es gibt kein zurück und in den nächsten Minuten bin ich entweder frei oder Tod. Das alles dauerte von 12:00 Uhr bis 13:45 Uhr.
Besuch in Neuhausen 1995
Die Stelle des Grenzübertrits 1995
Quelle: (Nr.:2007 - Foto:Jörg Schubert - Datum:1995)
Dann tauchte plötzlich auf der anderen Seite des Wachturms ein Soldat auf. Dieser löste den auf dem Turm ab. Nachdem der abgelöste sich in meine Gegenrichtung zu Fuß entfernte und der neue Posten ihn nachschaute war es soweit. Jetzt oder nie. Ich zog die Ärmel meiner Jacke, zum Schutz vor dem Stacheldraht, über meine Hände, achtete auf die Kontaktdrähte, und rannte mit großen Schritten durch das Sandbett. Dann der Sprung in den Stacheldrahtzaun. Plötzlich stand ich oben auf dem Pfahl des Stacheldrahtzaunes. Ich sprang auf der anderen Seite nach unten und flüchtete mich in den dort befindlichen Wald. Keine Rundumleuchte, kein Lautsprecher, und vor allem kein Schuss. Jaaaaa ich bin im Westen, jaaaaa ich habe es geschafft. In Sicherheit wiegte ich mich jedoch keinesfalls. Die 26 Jahre Kommunismus haben ihre Spuren hinterlassen. Vorsichtig bewegte ich mich am Rande des Waldes entlang weiter in Richtung Westen. Dann ein Haus, weiß, rotes Dach, jetzt nur noch da hin und "DU" bist in Sicherheit. Dann der Alptraum. Ein Schild mit der Aufschrift.
Achtung Staatsgrenze!
Pozor! Statni Hranice, Achtung Staats Grenze
CZ Grenzschild - Quelle: (Nr.:2008 - Internet:? - Datum:2012)
Tschechoslowakisch, ich bin im falschen Film. Die Kräfte lassen langsam nach. Robben, Entengang die Oberschenkel brennen. Sofort die Richtung ändern, im Laufschritt nach rechts ausweichen und ab durch das Kohlfeld. Ein Autogeräusch, weiter durch einen Graben, eine Straße, das Auto ist mittlerweile nicht mehr da und dann dieses Schild. Landesgrenze, in deutscher Sprache. Die Beine sind schwer, in linker Richtung bewege ich mich die Straße bergab entlang. Dann ein Ortsschild "Neuhausen", auf der linken Seite ein Haus. Auf dieses gehe ich zu, und klingele. Guten Tag haben Sie Telefon? Selbstverständlich.
Ortseingang Neuhausen - Mein erster Kontakt
Ortseingang Neuhausen - Mein erster Westkontakt
Quelle: (Nr.:2009 - Foto:Jörg Schubert - Datum:1995)
Ich bin gerade aus der DDR abgehauen, können Sie bitte die Polizei anrufen. Nach wenigen Minuten. Ein VW-Bus hält, zwei Beamte in Uniform steigen aus. Sie durchsuchen mich auf Waffen. Dann ein Händedruck.

Herzlichen Glückwunsch zur gelungenen Flucht der Regen hat Ihnen wahrscheinlich das Leben gerettet, da sich die tschechoslowakischen Soldaten auch vor diesen versteckten und keine Patrouille liefen.

Jetzt kann ich es nicht mehr verbergen. Ich weine wie ein kleines Kind. Vor einer Stunde kannte ich Neuhausen noch nicht, jetzt ist es mein neuer Geburtsort.

DANKE NEUHAUSEN!

Jörg Schubert [4]
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Ein Dorf an einer Grenze inmitten Europa - 2011 © Armin Herold
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